Sitzung: 03.03.2022 Ausschuss für Stadtentwicklung, Klima und Mobilität
Beschluss: ungeändert beschlossen
Abstimmung: Ja: 11, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: SV/FD3/012/2022
Der Rat der Stadt Diepholz beschließt auf Grundlage der vorliegenden Entwurfsplanung sowie der Kostenschätzung, die Planung und Ausführung der Neugestaltung im Bereich Lange Straße Mitte.
Frau Biedenkap von Kolhoff Landschaftsarchitekten und Herr Christen von
OC-Lichtplanung stellen vor:
Die Lange Straße ist eine der bedeutenden historischen Achsen in
Diepholz. Überwiegend geprägt durch inhabergeführten Einzelhandel und
Gastronomie stellt sie, gemeinsam mit den angrenzenden Straßen, heute das
Zentrum von Diepholz dar. Im Zuge der letzten städtebaulichen Sanierung wurde
in den Jahren 1985 und 1986 für die gesamte Lange Straße eine einheitliche
Flächengestaltung realisiert und der mittlere Abschnitt mit der Kolkstraße als
Fußgängerzone ausgewiesen.
Diepholz ist, wie viele kleine und mittelgroße deutsche Städte,
von den Auswirkungen des Strukturwandels im Handel betroffen, sodass die
Innenstadt durch immer mehr leerstehende Ladengeschäfte bestimmt wird. Die
heutige Fußgängerzone entspricht jedoch nicht mehr den Nutzungs- und
Gestaltungsanforderungen, die heute an eine zeitgemäße Innenstadt gestellt
werden.
Der Verwaltungsausschuss hat als Ergebnis eines Ideenwettbewerbs
am 23.11.2020 das Planungsbüro Kolhoff Landschaftsarchitekten, Vechta mit der
Planung beauftragt. Die Entwurfsplanung (Anlage 1) wurde auf Grundlage des im
Juni 2021 im Ausschuss für Ordnung, Marktwesen, Straßen und Verkehr
vorgestellten Vorentwurf sowie den Anregungen und Hinweisen aus der
Beteiligungsphase (Veranstaltungen für BürgerInnen, AnliegerInnen und Politik)
erarbeitet.
Die Fußgängerzone soll zukünftig mit einem zentral durch die Lange
Straße und die Kolkstraße verlaufenden „Funktionsband“ inhaltlich und
funktional neu ausgerichtet und saniert werden. In dem Funktionsband sollen
Bepflanzungen, Sitzgelegenheiten, Spielgeräte und Flächen für die
Außengastronomie Platz finden. Ergänzt wird das Funktionsband durch ein
modernes und attraktives Wasserspiel an der Kreuzung Lange Straße / Kolkstraße.
An diesem Ort soll eine Art Platzcharakter entstehen, der bei Veranstaltungen
in der Fußgängerzone auch für die Aufstellung einer Bühne genutzt werden kann.
Mit der Neugestaltung der Fußgängerzone soll die
Aufenthaltsqualität in der Diepholzer Innenstadt erhöht werden. Dafür sollen
die nicht mehr zeitgemäßen und teilweise beschädigten bzw. verschlissenen
Ausstattungselemente durch eine moderne, zeitgemäße Möblierung für alle
Altersklassen ersetzt werden. Neben klassischen Sitzbänken sollen drei
Wellenbänke integriert werden. Die Anzahl der Sitzmöglichkeiten wurde aufgrund
der Hinweise aus der Bürgerbeteiligung im Vergleich zur Vorentwurfsplanung
erhöht. Neue Sitzmöglichkeiten sind insbesondere direkt an den Spielflächen
angesiedelt worden.
Ergänzt werden die neuen Sitzmöglichkeiten durch attraktive
Spielgeräte. Die zunächst in der Kolkstraße geplanten Trampoline wurden
aufgrund der Anregungen aus der Bürgerbeteiligungsphase durch ein
Inklusionstrampolin ersetzt und in die Lange Straße, südlich des Wasserspiels,
verlegt.
Die konkrete Auswahl der übrigen Spielgeräte soll im Rahmen einer
Bürgerveranstaltung und Beteiligung der entsprechenden Altersgruppen erfolgen.
Diese Vorgehensweise wird von der Stadt Diepholz bereits seit einigen Jahren
auch bei der Neugestaltung von Spielplätzen erfolgreich praktiziert.
Im Vergleich zur Vorentwurfsplanung wurde die Anzahl der Fontänen
des Wasserspiels durch Hinweise aus den Bürger- und
Anliegerbeteiligungsveranstaltungen von acht auf sechs reduziert und neu
angeordnet, sodass trotzdem weiterhin eine Sichtbeziehung von der Gasse zum
Parkhaus erhalten bleibt aber mehr Raum für den Fußgänger geschaffen wird.
Neben den Sitzmöglichkeiten und Spielgeräten sollen in dem
Funktionsband auch Flächen für die Außengastronomie vorgehalten werden. Um der
Außengastronomie weitere Flächen zur Verfügung zu stellen wurde die
Pflanzfläche an der Ecke Kolkstraße/Lange Straße zugunsten der Gastronomie in
die Kolkstraße verschoben und das Funktionsband in der Kolkstraße entsprechend
angepasst. Diese Änderung wurde insbesondere aufgrund der Anregungen der in der
Fußgängerzone ansässigen GastronomiebetreiberInnen vorgenommen.
Mit der Neugestaltung soll die Fußgängerzone inhaltlich und
funktional auch im Hinblick auf mehr Klimaschutz und Klimaanpassungen saniert
werden. Dafür sollen die aktuell zu kleinen Baumscheiben der kleinkronigen
Bäume und die unregelmäßige Wuchsentwicklung durch großkronige Gehölze und
Staudenbeete mit Blühaspekt ersetzt werden. Die neuen Bepflanzungen werden
ebenfalls in das Funktionsband integriert, sodass eine Beschattung der
Aufenthaltsflächen erfolgen kann. Ziel der neuen Bepflanzung ist es, das
Mikroklima an diesem zentralen Ort der Stadt deutlich zu verbessern.
Zur stärkeren Berücksichtigung der klimatischen Veränderung wird
in der vorliegenden Planung der Aspekt der Regenwassernutzung und -versickerung
berücksichtigt und unter dem Stichwort „Schwammstadt“ umgesetzt. Baumrigolen
nehmen das Niederschlagswasser der Dachflächen auf, dienen der Bewässerung der
Gehölze und geben überschüssiges Wasser in eine Kiesrigole ab. Für den Einbau
dieses komplexen Systems aus Regenwasserrückhaltung und -versickerung ist ein
Austausch des bestehenden Bodens im Bereich der geplanten Baumstandorte und für
die Anlage der Versickerungsrigole notwendig. In Zuge dessen soll der Unterbau
grundhaft saniert und neu geordnet werden. Damit leistet die Stadt Diepholz
einen weiteren Beitrag für mehr Klimaschutz. Mit dieser klimagerechten und
nachhaltigen Planung der zentralen Stadtgestaltung konnte das Planungsbüro
Kolhoff Landschaftsarchitekten bereits beim Ideenwettbewerb gänzlich
überzeugen.
Eine Realisierung des Vorhabens führt zu einer Kanalentlastung und
zu einer Erhöhung der Grundwasserneubildungsrate. Weiterhin kann aufgrund der
Wasserspeicherung in den Baumrigolen die Anzahl der Bewässerungsgänge
mittelfristig deutlich reduziert werden, was wiederum zur Schonung der
Ressource Trinkwasser beiträgt.
Neben den großkronigen Gehölzen, den Staudenbeeten und der Nutzung
des Oberflächenwassers für die Bewässerung der Bäume soll bei der Neugestaltung
der Fußgängerzone auch eine Klima- und Insektenfreundliche Beleuchtung
installiert werden. Dadurch können die Lichtemissionen stark reduziert und die
Energiesparpotentiale voll ausgenutzt werden.
Nachdem zunächst von einer Wiederverwendung des Klinkerpflasters
ausgegangen war, wird nun aus den folgenden Gründen die Verlegung eines neuen
Klinkerpflasters vorgesehen.
Die zukünftige Planung berücksichtigt die generelle Befahrbarkeit
u.a. mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr. Eine Abstimmung mit dem
Brandschutzprüfer des Landkreises Diepholz sowie der Feuerwehr ist
erfolgt. Aus Sicht des vorbeugenden Brandschutzes bestehen gegenüber der
Planung und Neugestaltung keine Bedenken. Aufgrund der Stärke des vorhandenen
Klinkerpflasters von 6 cm muss eine Verlegung des alten Materials in „hochkant“
erfolgen (Stärke 10 cm), um ein Befahren gemäß Richtlinie für die
Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12) zu gewährleisten. Hierfür reichen die Bestandsmengen nicht
aus.
Zudem wurde bei einer ersten Inaugenscheinnahme im Rahmen der
Entwurfsplanung zur Neugestaltung der Fußgängerzone festgestellt, dass 20 bis
30 Prozent der Steine Beschädigungen aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass
sich diese Menge bei der Aufnahme des alten Materials weiter erhöht. Diese
Mengen müssen - auch bei der Hochkantverlegung (s.o.) - durch neue Steine
ersetzt werden. Nach Auskunft der Klinkerwerke ist der Produktionsstandort des
verlegten Klinkers seit 2010 nicht mehr in Betrieb.
Mit dem roten Klinkerpflaster besitzt die Stadt Diepholz zwar ein
hochwertiges Oberflächenmaterial, welches jedoch nicht den aktuellen
Anforderungen bezüglich des Gleit- und Rutschwiderstands nach DIN EN 1344
entspricht. Es wird von der Bevölkerung, immer wieder die Rutschgefahr bei
Nässe bemängelt. So war die Rutschgefahr auch im Rahmen der durchgeführten
Bürgerbeteiligung der größte Kritikpunkt.
Um diesen städtebaulichen
Missstand zu beheben und die Anforderungen an die Barrierefreiheit zu erfüllen,
soll in der Fußgängerzone ein neuer Pflasterklinker verlegt werden, der in einem
zentral verlaufenden Funktionsband durch Betonsteinplatten ergänzt wird.
Bei der Verwendung eines neuen Materials werden die Vorgaben der
o. g. DIN-Norm deutlich überschritten (Klasse U3 gefordert: ≥ 55, Wert
des neuen Klinkers: 70). Dadurch kann die Fußgängerzone zukünftig den
Anforderungen an Barrierefreiheit gerecht werden. Darüber hinaus kann das neue
Material mit einer Stärke von 8 cm flach verlegt werden, sodass ein
einheitlicheres Fugenmuster mit weniger „Stolperfallen“ entsteht und die Kosten
für die Hochkantverlegung entfallen.
Farblich
sollte sich der Klinkerstein dem alten Farbton anpassen, um ein homogenes
Erscheinungsbild mit den umliegenden Bereichen (Rathausmarkt, Lange Straße Nord
und Süd, Mühlenstraße) zu gewährleisten.
Die zur Wiederverwendung geeigneten Klinker werden für die
Ausbesserung bestehender Flächen (z.B. am Rathausmarkt) gereinigt, palettiert
und gelagert. Bruch wird von dem Klinkerwerk zurückgenommen, gemahlen und bei
Neuproduktionen beigemischt, was dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft und einem
schonenden Umgang mit Ressourcen entspricht.
Nach Rücksprache mit einem Vertreter des Blinden- und
Sehbehindertenverbandes Niedersachsen e.V. wurde ein taktiles Leitsystem in die
Planung integriert. Von Seiten des Blinden- und Sehbehindertenvereins bestehen
gegenüber der Planung keine Bedenken.
Im Vergleich zur Vorentwurfsplanung wurde die Entwurfsplanung um einen
Übergang zwischen der Kolkstraße und dem Rathausmarkt ergänzt. Mit der
geplanten Aufpflasterung, die sich an der Gestaltung Lange Straße Kreuzung
Mühlenstraße/Bahnhofstraße orientiert, soll eine Verbindung zwischen dem
Rathausmarkt und der Fußgängerzone geschaffen werden. BesucherInnen des
Wochenmarktes und NutzerInnen des Kanuanlegers können so besser in die
Fußgängerzone geführt werden.
Die Neugestaltung der Fußgängerzone ist in der städtebaulichen
Rahmenplanung „Diepholz Innenstadt“ aufgenommen. Im Rahmen des Förderprogramms
„Lebendige Zentren“ erfolgt eine 2/3-Förderung. Regenwasserkanäle werden zu 50
% gefördert. Schmutzwasserkanäle sind nicht förderfähig.
Die Kostenschätzung beläuft sich auf insgesamt 1.555.421,44 € und setzt sich wie folgt
zusammen:
|
Kostenschätzung |
Förderfähig |
Förderfähige Kosten |
Davon 2/3 (Anteil Bund/Land) |
Verkehrsanlagen |
1.219.153,96 € (brutto) |
100 % |
1.219.153,96 € (brutto) |
812.769,31 € (brutto) |
Regenwasserkanal |
175.042,13 € (brutto) |
50 % |
87.521,10 € (brutto) |
58.347,38 € (brutto) |
Schmutzwasserkanal |
161.225,35 € (brutto) |
0 % |
0 |
0 |
Insgesamt |
1.555.421,44 € (brutto) |
/ |
1.306.675,06 € (brutto) |
871.116,69 € (brutto) |
Kostenanteil Stadt Diepholz: 684.304,75
€ (brutto)
Kostenanteil Bund/Land Städtebauförderung: 871.116,69 € (brutto)
Nach
dem politischen Projektbeschluss folgen die Erstellung der Ausführungsplanung
sowie die Vorbereitung der Ausschreibung. Die Ausschreibung soll im dritten
Quartal 2022 erfolgen. Der Baustart ist für das erste Quartal 2023 geplant.
FDL
Dornieden führt aufgrund der Bedenken von RH Albers aus: Die Innenstadt wurde
zukunftsorientiert geplant. So wird im vorgesehenen Band viel Platz geschaffen.
Es wird zwar konkrete und feste Baumstandorte geben, jedoch können viele
kleinere feste Elemente (z.B. Sitzbänke, Spielgeräte) zukünftig auch noch
versetzt werden und sich so den Gegebenheiten für z.B. Außengastronomien anpassen.
FDL
Dornieden erklärt auf Nachfrage von RH Albers, dass Fontänenfeld wird über
einen Windwächter verfügen, der die Wasserspiele den Windverhältnissen anpasst.
FDL
Dornieden erklärt auf den Hinweis von RH Luber, dass die Identität der
Innenstadt durch Fassaden und Gebäude wie dem Alten Rathaus oder der Eisdiele
geprägt wird. In weiteren Planungen unabhängig von der Gestaltung der
Fußgängerzone sind Lichtelemente vorgesehen, die diese historischen Objekte
sogar noch hervorheben sollen
FDL
Dornieden erklärt auf Nachfrage von RH Albers und RH Buck, dass bei der
Bauausführung gemeinsam mit den Fachfirmen ein Bauzeitenplan erstellt wird. Die
Einzelhändler werden in die Planung einbezogen, sodass für sie eine möglichst
geringe Belastung durch die Baustelle erreicht werden soll.
Der
Ausschuss bedankt sich für die Präsentation.
Der Ausschuss empfiehlt einstimmig: